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Heterogenität multiperspektivisch reflektiert

Eine interdisziplinäre Tagung an der PH Tirol
(9./10. November 2023)

 

Heterogenität verweist auf Verschiedenartigkeit bzw. Ungleichartigkeit von Merkmalen (Faulstich-Wieland, 2011, S. 10) und umfasst eine Bündelung gemeinsamer, jedoch unterschiedlich ausgeprägter Merkmale, die je nach Zeit und Raum veränderbar sind (Trautmann & Wischer, 2011) . Heterogenität bezieht sich auf die Beschreibung einer Charakteristik von Gruppen, die besagt, dass ihre Mitglieder verschieden sind (LangWojtasik & Schieferdecker, 2016). Sie bezieht sich auf Unterschiede zwischen Menschen (oder Gruppen), die in Relation zu einer oder mehreren Vergleichsmerkmalen existieren (tertium comparationis, Prengel, 1995). Entlang dieser Vergleichsmerkmale können nicht nur Unterschiede, sondern auch Gemeinsamkeiten zwischen Menschen (oder Gruppen) beschrieben werden (Schür, 2013). Das Heranziehen spezifischer Merkmale zur Orientierung geht dabei u.a. mit der subjektiven Auswahl der wahrnehmenden Person einher (z. B. von Glasersfeld, 1995). Das ‚Erkennen‘ von Verschiedenheit resultiert aus einer spezifischen Wahrnehmung von Differenz (oder Gleichheit), die eine Person vor dem Hintergrund aller Wahrnehmungsoptionen vornimmt (ebd.) und macht Heterogenität zur ‚Unterschiedlichkeit‘, die durch Wahrnehmung im Augenblick geschaffen wird. Heterogenität unterliegt demnach (auch) einem Herstellungscharakter, der die Festlegung von Normalität und Abweichung impliziert (Riegel, 2016) und mit hierarchischer Strukturierung einhergeht (Rieger-Ladich, 2017) .


Im pädagogischen Handlungsfeld gilt es herauszufinden, welche Funktion die Zuschreibung jeweils erfüllt (Rabenstein, 2019) und als welche Setzung sie vor dem Hintergrund von Machtverhältnissen zu verstehen ist (Eckhart, 2009). Je nach Forschungs- bzw. liegt der Fokus (der Wahrnehmung von) Unterschiedlichkeits- bzw. Vergleichsmerkmalen auf  unterschiedlichen Merkmalsausprägungen. Die Orientierung an solchen Merkmalen dient der Komplexitätsreduktion in komplexen Situationen mit komplexen Individuen.


Organisationstheoretische Ansätze nehmen Heterogenität im Konzept des Diversity Management in den Blick (Krell et al., 2007), pädagogisch-didaktische Perspektiven fokussieren Merkmale bezogen auf Leistungsfähigkeit (Bohl, 2017), biologische Faktoren, z.B. Alter (Guiora et al., 1975) , kognitive Fähigkeiten, z.B. Arbeitsgedächtniskapazität (Baddeley, 2010) , persönlichkeitskonstituierende (z.B. Dewaele & Furnham, 1999) und affektive Variablen (z.B. Gardner & MacIntyre, 1993) oder soziokulturelle Hintergründe (Budde, 2017) – u.a. mit dem Ziel der Konzeption angemessener,
heterogenitätssensitive  Lehrlernarrangements. Zu berücksichtigen ist hierbei stets auch die Prozesshaftigkeit von Heterogenität – Differenzkategorien und ihre Bewertung verändern sich in dem beobachteten Bereich sowie mit der Zeit (Prengel, 2006) .


Vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Verwobenheit unterschiedlicher Differenzmerkmale (u.a. Kraay, 2016; Sheridan et al., 2012) verlangen aktuelle Ansätze nach einer erweiterten Sichtweise auf individuelle (Lerner-)Variablen und ihre Zusammenhänge mit sozialen sowie institutionellen Faktoren (z.B. Kersten, 2021) . Solche Ansätze begreifen Lernende im Kontext von Bildung als komplexe dynamische Systeme (z.B. Ortega & Han, 2017) , die wiederum in einem komplexen dynamischen System lernen und gelehrt werden. Erst diese multiperspektivische
Reflexion von Heterogenität ermöglicht eine annähernd ganzheitliche Sichtweise, die nicht nur Lernende, sondern auch Lehrende (Wischer, 2007; Mayr, 2015) und das System ‚Bildung‘ selbst als heterogen in den Blick nimmt und, die durch variierende Fragestellungen sowie unterschiedliche Wahrnehmung und situativ beeinflusst konstruiert wird (u. a. Budde, 2017; Wischer, 2013 )

 

Die Tagung möchte dazu einladen, Heterogenität interdisziplinär und multiperspektivisch reflektiert
wahrzunehmen (z.B. Gassinger et al. 2022) und zu denken und ggf. neue Perspektiven für das pädagogische Handlungsfeld im Kontext von Heterogenität aufzeigen (z. B. Baumann, 2023).

 

Die Tagung richtet sich an Forscher:innen, an junge Wissenschaftler:innen, an (angehende) Lehrpersonen, an  Studierende des Lehramts aller Schularten, an Multiplikator:innen der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen sowie an Expert:innen zur Thematik. Ziel ist die interdisziplinäre Diskussion zum oben aufgezeigten Diskurs um das komplexe Themenfeld von Heterogenität im Bildungssystem – multiperspektivisch auf Mikro-, Meso- und Makroebene.

 

Beiträge (Absracts) werden noch bis 15.April 2023 angenommen.

Für weitere Informationen dürfen Sie Ihre Mails an   simone.baumann@ph-tirol.ac.at richten.