Universität Mannheim
Individuelle, soziale und schulische Faktoren von
Mehrsprachigkeit
Die Entwicklung von Sprache und Kognition ist auf vielfältige Weise dynamisch verflochten und wird von verschiedenen sozialen Kontextfaktoren geprägt. Die Zweitspracherwerbsforschung (SLA) hat dabei bisher vor allem den Zusammenhang einzelner Variablen in den Blick genommen. Neuere, interdisziplinäre Ansätze sehen SLA zunehmend als ein komplexes System und fokussieren umfassender auf das Zusammenspiel diverser Faktoren (Mitchell et al., 2019).
Basierend auf diesen Ansätzen (Douglas Fir Group, 2016; Lerner, 2002; Sharwood Smith, 2017; van Geert, 1991) leitet dieser Beitrag ein Modell zu Einflusszusammenhängen in SLA ab, das individuelle sprachlich-kognitive, soziale und schulische Variablen kombiniert. Dabei kommt ‚proximalen‘ externen Faktoren eine besondere Bedeutung zu, weil diese proximalen, konkreten Interaktionen in Familie und Schule Effekte auf die Lernenden besser begründen können als übergeordnete ‚distale‘ Faktoren wie der Sozialstatus oder das Schulprogram.
Der Beitrag fokussiert vor allem Effekte von familiären und schulischen Interaktionen auf die mehr-/sprachliche und kognitive Entwicklung. Dem sprachlichen Input kommt hier-bei eine besondere Rolle zu. Inputqualität, operationalisiert als kognitiv stimulierende sprach- und verständnisfördernde Techniken (Kersten, 2021), begünstigt Entwicklungsprozesse durch neuronale Aktivierung, Verarbeitungstiefe und Anregung assoziativer Netzwerke von Vorwissen und aktiver Wissenskonstruktion, die gleichzeitig eng mit den sprachlichen Repräsentationen der Lernenden verknüpft sind.
Mit einem Blick auf schulische Faktoren werden die Effekte von Inputqualität auf die mehrsprachliche und kognitive Entwicklung diskutiert und Evidenz für einen potenziellen Chancenausgleich für benachteiligte Lernergruppen gezeigt. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf Kindern mit einer anderen L1 als Deutsch sowie auf der Rolle bilingualer Programme für diese Zusammenhänge (Kersten, 2023).
Literatur
Douglas Fir Group (2016). A transdisciplinary framework for SLA in a multilingual world. The Modern Language Journal, 100(S1), 19–47.
Kersten, K. (2021). L2 input and characteristics of instructional techniques in early foreign language classrooms - Underlying theory and pedagogical practice. The European Journal of Applied Linguistics and TEFL, 10(2), 27-59.
https://www.researchgate.net/publication/356918956_L2_input_and_charact…
Kersten, K. (2023). The Proximity of Stimulation Hypothesis: Investigating the interplay of social and instructional variables with the cognitive-linguistic skills of young L2 learners (pp. 131-159). In K. Kersten, A. Winsler (eds.), Understanding variability in second language acquisition, bilingualism, and cognition: A multi-layered perspective. Routledge.
https://www.researchgate.net/publication/364254916_The_Proximity_of_Sti…
Lerner, R. M. (2002). Concepts and theories of human development. Erlbaum.
Mitchell, R., Myles, F., & Marsden, E. (2019). Second language learning theories. Routledge.
Sharwood Smith, M. (2017). Introducing language and cognition: A map of the mind. Cambridge University Press.
van Geert, P. (1991). A dynamic systems model of cognitive and language growth. Psychological Review, 98(1), 3–53.
Universität Wien
Win-win Situation für beide Seiten? – Lehramtsstudierende als Lehrkräfte an Schulen in Österreich
Heterogenität von Schüler:innen und insbesondere der Umgang mit Heterogenität im Klassenraum steht seit längerem im Mittelpunkt von Bildungsforschung und -politik. Die Heterogenität von Lehrkräften bzw. Lehramtsstudierenden (und inwiefern diese z.B. mit der Unterrichtstätigkeit und dem Professionsverständnis zusammenhängt) wird jedoch seltener in den Blick genommen. In Österreich sind die Ausbildner:innen im Lehramt in den letzten Jahren mit einem neuen Heterogenitätsaspekt von Lehramtsstudierenden konfrontiert. Studierende werden aufgrund des Lehrkräftemangels bereits während des Studiums an Schulen angestellt. Zu den Ausmaßen sowie Auswirkungen dieser Maßnahme liegen kaum Zahlen vor. Die Studie Studium & Schule ist im österreichischen Kontext die erste, die auf Basis einer großen Stichprobe eine eingehende Untersuchung dieser Maßnahme ermöglicht. Im Rahmen der Studie wurden Daten von 1643 Lehramtsstudierenden erhoben, die entweder neben dem Studium (a) als Lehrkraft tätig sind, (b) einer anderen oder (c) keiner Nebentätigkeit während des Studiums nachgehen. Die Studie zeigt zum einen, dass die Studierenden an den Schulen im Vergleich Studierenden zu anderen Nebentätigkeiten einer erhöhten Belastung ausgesetzt sind. So unterrichten sie z.B. teilweise fachfremd. Des Weiteren hat der Einsatz in den Schulen negative Auswirkungen auf die Länge des Studiums und die Professionalisierung der Lehramtsstudierenden. In der Keynote werden weitere umfängliche Ergebnisse der Studie präsentiert und im Kontext von Heterogenität diskutiert.