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Tag der Geschlechterforschung: 5. Dezember 2023

Gespeichert von Raimund Senn am 29 November 2023
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Der vom BMBWF initiierte „Tag der Geschlechterforschung“ findet 2023 am 5. Dezember statt. Im Rahmen der Aktivitäten rund um diesen Thementag präsentiert die PHT inhaltlich relevante Projekte von Masterstudierenden und Hochschullehrer:innen.
 

Diese Beispiele zeigen in Inhalten, Perspektiven, Methoden und theoretischen Ansätzen, wie vielfältig Geschlechterforschung in Bildungskontexten sein kann.


Die Studierenden und Forschenden freuen sich darauf, ihre Projekte im Laufe des Studienjahres im Rahmen von Lunchtime Lectures präsentieren zu können.

 

Sabine Tiefenthaler: Junge Frauen mit Fluchterfahrungen zwischen Resilienz und Vulnerabilität.

Junge Frauen mit Fluchterfahrungen zwischen Resilienz und Vulnerabilität. Eine feministisch ethnographisch-partizipative Studie in italienischen Erstaufnahmezentren.
Budrich Verlag (in print; erscheint 2024)

Das Ziel dieser feministisch ethnographisch-partizipativen Studie ist die Untersuchung von Resilienzprozessen von Frauen mit Fluchtbiografien in italienischen Notaufnahmezentren im Spannungsfeld institutioneller Machtverhältnisse. Einerseits wurden dabei die zentralen Dimensionen für Resilienzprozesse von Frauen mit Fluchtbiografien herausgearbeitet und andererseits wurde einer epistemologischen Fragestellung, inwiefern visuelle partizipative Methoden zur Untersuchung von Resilienz beitragen können, nachgegangen. Die Daten wurden in drei unterschiedlichen Notaufnahmezentren und ihrem Umfeld in Südsardinien erhoben. Die jungen Frauen kamen zum Großteil aus westafrikanischen Ländern, waren allein reisend und kamen über den Meerweg nach Italien. Mittels ethnographischer Beobachtungen und ero-epischer Gespräche konnte der gesamte Kontext der Notaufnahmezentren exploriert werden. Der partizipative Teil der Studie konzentrierte sich auf eine ko-konstruktive Wissensgenerierung, indem gemeinsam mit den Frauen mit Fluchtbiografien ein PhotoVoice-Projekt (Fotointerviews, walking interviews, Gruppendiskussionen) durchgeführt wurde. Auswertet wurde das gesamte Material mit Elementen der konstruktivistischen Grounded Theory und der Diskursanalyse. Durch die Narrationen der geflüchteten Frauen konnte das Resilienzphänomen kritisch überdacht werden, indem der Prozesshaftigkeit sowie dem Einfluss von Macht- und Ungleichheitsverhältnissen mehr Raum gegeben wurde. Es konnte festgestellt werden, dass abseits dichotomer Deutungsmuster Resilienz und Vulnerabilität einem fortwährenden Aushandlungsprozess unterliegen, welcher von institutionellen, politischen, sozialen sowie individuellen Bedingungen bestimmt wird. Ebenso hat sich gezeigt, dass visuelle partizipative Methoden einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag dazu leisten können, geflüchtete Frauen in die ko-konstruktive Wissensgenerierung einzubeziehen, um dadurch mehr über Resilienzprozesse zu erfahren und gleichzeitig auch das Bewusstsein für die eigene Resilienz der Co-Forschenden zu steigern.

Präsentation der Forschungsarbeit im Rahmen von lecture&lunch am Tag der Geschlechterforschung, dem 05.12.2023 an der PHT.

 

Zur Person:

Sabine Tiefenthaler hat an der Universität Wien Bildungswissenschaften studiert und an der Freien Universität Bozen zum Thema Resilienz von jungen geflüchteten Frauen promoviert. Aktuell ist sie im Bereich Inklusion und Diversität an der Pädagogischen Hochschule Tirol tätig. Weiter ist sie als Dozentin an der Universität Wien, der TH Rosenheim sowie an der Freien Universität Bozen zu den Themen Partizipation in den pädagogischen Handlungsfeldern als auch der Partizipativen Forschung beschäftigt. Sie verfügt über einen Master in systemischer Beratung und hat einige Jahre als Sozialpädagogin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Kontakt: sabine.tiefenthaler@ph-tirol.ac.at  

 

Ausgewählte Publikationen:

Tiefenthaler Sabine & Fleckinger Andrea (2022). Forschung – Vertrauen – Institution. Möglichkeiten und Grenzen einer feministisch partizipativen Haltung beim Vertrauensaufbau in Forschungsbeziehungen im institutionellen Kontext. In: Anna Kasten, Käthe von Bose, Ute Kalender (Hrsg.). Feminismen in der Sozialen Arbeit. Debatten, Dis/Kontinuitäten, Interventionen. Beltz: Weinheim.

Tiefenthaler, Sabine (2022). Intersektionale Diskriminierung: Erfahrungen und Perspektiven in der Psychotherapie mit Frauen mit Fluchtbiografien. Psychotherapie Forum 26, 122–128. https://doi.org/10.1007/s00729-022-00216-6

Köppen v. Marilena, Schmidt Kristina, Tiefenthaler Sabine (2020). Mit vulnerablen Gruppen forschen - ein Forschungsprozessmodell als Reflexionshilfe für partizipative Projekte. In: Susanne Hartung, Michael T. Wright & Petra Wihofszky (Hrsg.). Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden. Springer: Wiesbaden.

Jennifer Marlokova: Gendersensible Pädagogik in der Primarstufe

Gendersensible Pädagogik in der Primarstufe. Masterthesis im Rahmen des Masterstudiums im Bereich Educational Leadership an der Donauuniversität Krems;
Betreuung: Alexandra Madl

Schule ist ein prägender Ort, an dem Gender Bias verfestigt, aber auch dekonstruiert werden können. Die gendersensible Pädagogik verfolgt den Ansatz, gesellschaftliche Ungleichheiten abzubauen, mit dem Ziel, die Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung zu fördern. Damit soll sichergestellt werden, dass Kinder ihre individuellen Interessen sowie ihr Potenzial entfalten können, ohne von geschlechtsspezifischen Stereotypen und Vorurteilen eingeschränkt zu werden.  
Die Master-Thesis beleuchtet, inwieweit und auf welche Weise die gendersensible Pädagogik, welche gesetzlich verankert ist, in der Primarstufe umgesetzt wird. Ferner wird ein Vergleich zwischen städtischem und ländlichem Raum gezogen, um mögliche Unterschiede in der Umsetzung und Wahrnehmung zu evaluieren. Die forschungsleitende Frage lautet dabei: „Wie wird gendersensible Pädagogik in der Primarstufe im städtischen und ländlichen Raum Tirols umgesetzt?“ Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage und zur Darstellung der Anwendung von gendersensibler Pädagogik in der Primarstufe wurden theoretische Grundlagen, spezifische Literatur und Forschungsergebnisse herangezogen. Im Rahmen dieser Master-Thesis wurde eine qualitative Untersuchung mittels Leitfadeninterviews mit zehn Lehrpersonen durchgeführt. Diese wurden anhand der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Die Ergebnisse der vorliegenden Forschungsarbeit zeigen auf, dass das Bewusstsein über die Gleichstellung der Geschlechter Einzug in die Tiroler Schulen gefunden hat, jedoch die konkrete Umsetzung und Anwendung der gendersensiblen Pädagogik noch nicht flächendeckend erfolgt ist. Dabei ist bei Lehrpersonen, welche in der Stadt tätig sind, tendenziell eine höhere Genderkompetenz zu beobachten. Der Unterschied zwischen Land und Stadt ist insbesondere im Bereich der Reflexion und des Wissens zur Genderthematik der Lehrpersonen deutlich. Zu erwähnen ist, dass sowohl am Land als auch in der Stadt genderkompetente und weniger genderkompetente Lehrpersonen nachzuweisen sind. Zudem hat es sich erwiesen, dass der Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ bei Lehrpersonen noch wenig bekannt zu sein scheint. Nur eine der befragten Lehrpersonen war sich der Existenz des Grundsatzerlasses bewusst – kannte jedoch nicht dessen Inhalt.  
Die Master-Thesis trägt dazu bei, das Verständnis für die Umsetzung von gendersensibler Pädagogik zu verbessern und potenzielle Ansatzpunkte für eine gezielte Förderung einer pluralistischen und geschlechtersensiblen Bildung aufzuzeigen.

 

Ausgewählte Literatur

Babka, A., & Posselt, G. (2016). Gender und Dekonstruktion: Begriffe und kommentierte Grundlagentexte der Gender- und Queer-Theorie. facultas.

BMBWF. (2019a). Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“. https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/prinz/refgp.html

Budde, J., Scholand, B., & Faulstich-Wieland, H. (2008). Geschlechtergerechtigkeit in der Schule: Eine Studie zu Chancen, Blockaden und Perspektiven einer gender-sensiblen Schulkultur. Beltz Juventa.

Butler, J. (1999). Gender trouble: Feminism and the subversion of identity. Routledge.

Crenshaw, K. (1989). Demarginalizing the intersection of race and sex: A black feminist critique of antidiscrimination doctrine, feminist theory and antiracist politics. u. Chi. Legal f., 139–167.

Elsen, H. (2020). Gender – Sprache – Stereotype: Geschlechtersensibilität in Alltag und Unterricht. Narr Francke Attempto Verlag.

Gildemeister, R. (2008). Soziale Konstruktion von Geschlecht: „Doing gender“. In S. M. Wilz (Hrsg.), Geschlechterdifferenzen – Geschlechterdifferenzierungen: Ein Überblick über gesellschaftliche Entwicklungen und theoretische Positionen (S. 167–198). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Napp, C., & Breda, T. (2022). The stereotype that girls lack talent: A worldwide investigation. Science Advances, 8(10).

Perko, G., & Czollek, L. C. (2022). Lehrbuch Gender, Queer und Diversity (2., Aufl.). Beltz Juventa.

Rieckmann, M. (2018). Die Bedeutung von Bildung für nachhaltige Entwicklung für das Erreichen der Sustainable Development Goals (SDGs). ZEP: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik, 41(2), 4–10.

Schmich, J., Wallner-Paschon, C., Illetschko, M., & Institut des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen. (2023). PIRLS 2021. Die Lesekompetenz am Ende der Volksschule.

Walgenbach, K. (2021). Erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf Vielfalt, Heterogenität und Diversity/Diversität, Intersektionalität. In Pädagogik der Vielfalt: Verschiedenheit und Gleichberechtigung in interkultureller, feministischer und integrativer Pädagogik (S. 41–59). Verlag Julius Klinkhardt.

 

Zur Person:

Jennifer Marlokova, BEd, MA schloss im Jahr 2017 das Lehramtsstudium für die Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule Tirol ab und ist seitdem als Volksschullehrerin tätig. Um ihre pädagogischen Fähigkeiten weiter zu vertiefen, absolvierte sie im Jahr 2020 erfolgreich den Montessori Diplomlehrgang. Ihre akademische Laufbahn setzte Jennifer Marlokova, BEd, MA mit einem Masterstudium im Bereich Educational Leadership an der Donauuniversität Krems fort, das sie im Oktober 2023 erfolgreich abschloss.

Seit diesem Schuljahr bekleidet Jennifer Marlokova, BEd, MA zusätzlich die Position der stellvertretenden Schulleitung der Volksschule Innere Stadt in Innsbruck und ist neben ihrer Beschäftigung an der Volksschule Innere Stadt auch an der der Pädagogischen Hochschule Tirol im Hochschulmarketing tätig. Derzeit nimmt Jennifer Marlokova, BEd, MA an einer zertifizierten Ausbildung zur „Integrale Kinderyoga Pädagogik“ teil.

Elisabeth Kirschner: Regenbogenfamilien. Möglichkeiten der Berücksichtigung in der Schule und im Unterricht

Regenbogenfamilien. Möglichkeiten der Berücksichtigung in der Schule und im Unterricht.
Masterarbeit im Rahmen des Masterstudiums Primarpädagogik an der PHT.

Betreuung: Thorsten Kosler

Regenbogenfamilien lassen sich als „[...] Familien, in denen mindestens ein Elternteil lesbisch, schwul, bisexuell, transgeschlechtlich beziehungsweise intergeschlechtlich und/ oder nichtbinär ist“ (BMFSFJ, 2023, Abs. 1) charakterisieren. Die Masterarbeit verfolgt das Ziel, die leitende Forschungsfrage „Wie kann die Lebensform der Regenbogenfamilie in der Volksschule und im Unterricht berücksichtigt werden?“ zu beantworten. Dazu werden im theoretischen Teil die Alltagstheorie von Familie, Regenbogenfamilien, rechtliche Regelungen und die bildungswissenschaftliche Relevanz genauer beleuchtet. Der österreichische Lehrplan (BMBWF, 2023) beinhaltet mit den übergreifenden Themen „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ und „Sexualpädagogik“ die Behandlung von Vielfalt im Unterricht. Des Weiteren werden zahlreiche Möglichkeiten der Berücksichtigung in der Literatur (z.B. Bildungsinitiative Queerformat, 2015; Palzkill et al., 2020; Spahn, 2018) aufgezeigt. Auch einige Studien (Frohn et al., 2011; Rupp, 2009; Zhang et al., 2023) weisen Lücken im pädagogischen Dienst auf und sehen vor allem Diskriminierung als zentralen Grund, um für mehr Vielfalt zu sorgen. Im methodischen Teil wird mit Hilfe von drei Expert*inneninterviews und fünf Interviews mit Lehrpersonen Tiroler Volksschulen versucht, eine Antwort auf die Forschungsfrage zu finden. Die Interviews sind leitfadengestützt und wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltanalyse nach Kuckartz (2018) computerbasiert ausgewertet. Zusätzlich wurden die Aussagen der Befragten mit der gewählten Literatur verglichen. Bei der Analyse zeigt sich, dass die Befragten durchaus zahlreiche Möglichkeiten und Ideen nennen, die sich mit der Literatur überschneiden. Des Weiteren wird deutlich, dass die Expert:innen ähnliche, aber ausführlichere Möglichkeiten äußern. Betrachtet man aber die Praxis der Lehrpersonen, so bestätigt sich, dass hier noch einiges aufzuholen ist. Die Lehrpersonen haben zahlreiche Ideen, müssen diese aber noch praktisch umsetzen.

 

Zitierte Quellen und weiterführende ausgewählte Literatur:  

Bildungsinitiative Queerformat (Hrsg.). (2015). Wie Sie vielfältige Lebensweisen an Ihrer Schule unterstützen können. https://www.queerformat.de/wpcontent/uploads/mat_Broschuerenquartett_02…  
BMBWF. (2023). Lehrplan der Volksschule. BGBI. Nr. 134/1963 in der Fassung BGBI. II Nr. 1/2023, Anlage A vom 2. Jänner 2023.  
BMFSFJ. (2023). Was sind Regenbogenfamilien? Familienportal des Bundes. https://familienportal.de/familienportal/lebenslagen/regenbogenfamilien…  
Frohn, D., Herbertz-Floßdorf, M., & Wirth, T. (2011). Wir sind Eltern! Eine Studie zur Lebenssituation von Kölner Regenbogenfamilien (Stadt Köln, Hrsg.). https://www.dominicfrohn.de/downloads/Studie_Wir-sind-Eltern_2011.pdf  
Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung (4. Aufl.). Beltz Juventa.  
Palzkill, B., Pohl, F. G., & Scheffel, H. (2020). Diversität im Klassenzimmer: Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Schule und Unterricht (1. Aufl.). Cornelsen.  
Rupp, M. (Hrsg.). (2009). Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Bundesanzeiger Verlag.  
Schmidt, G. (2014). Das neue Der Die Das. Über die Modernisierung des Sexuellen. Psychosozial-Verlag.  
Spahn, A. (2018). Mobbing im Kontext von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt— Hintergründe und Interventionsstrategien. Schule lehrt/lernt Vielfalt. Praxisorientiertes Basiswissen und Tipps für Homo-, Bi-, Trans- und Inter*freundlichkeit in der Schule, 18, 134–137.  
Verein Selbstlaut. (2020). Ganz schön intim. Sexualerziehung für 6—12 Jährige. Unterrichtsmaterialien zum Download. https://selbstlaut.org/wpcontent/uploads/Selbstlaut_Broschuere_Ganz_sch…  
Zhang, Y., Huang, H., Wang, M., Zhu, J., Tan, S., Tian, W., Mo, J., Jiang, L., Mo, J., Pan, W., & Ning, C. (2023). Family outcome disparities between sexual minority and heterosexual families: A systematic review and metaanalysis. BMJ Global Health, 8(3), 18. https://doi.org/10.1136/bmjgh-2022-010556

Ella Sailer: Wenn das Geschlecht im Musikunterricht den Ton angibt

Wenn das Geschlecht im Musikunterricht den Ton angibt.
Bachelorarbeit im Rahmen des Studiums der Primarpädagogik an der PHT

Betreuung: Alexandra Madl

Die Schule ist kein geschlechtsneutraler Raum – durch Zuschreibungen und stereotypen Bildern von Mädchen und Jungen besteht nach wie vor keine Chancengleichheit. Um Kinder in der Schule geschlechtersensibel fördern zu können, ist es notwendig, Prozesse zu verstehen, die Geschlechterzuschreibungen begünstigen und Vorgänge kritisch zu hinterfragen, die dazu beitragen, dass Mädchen und Jungen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werden.  

Das Ziel meiner Arbeit und Forschung war herauszufinden, wie Geschlechterstereotype in der Primarstufe reproduziert und dekonstruiert werden, während dabei besonders der Musikunterricht hinsichtlich der Genderthematik untersucht wurde. Dazu wurde die folgende zentrale Forschungsfrage gestellt: In welcher Weise (de)konstruieren bzw. reproduzieren angehende männliche und weibliche Lehrpersonen im Studienschwerpunkt Musik in Tirol Geschlechterstereotype und inwiefern beeinflusst dies die Wahl von Lehrinhalten für den Musikunterricht in der Volksschule?  

Um die Fragestellung zu beantworten, wurden vorab theoretische Hintergründe beschrieben und aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Gender in der Schule und insbesondere im Musikunterricht miteinbezogen. Anschließend wurde eine qualitative Forschung anhand Interviewbefragungen durchgeführt. Dabei wurden zwei weibliche und zwei männliche angehende Lehrkräfte der Primarstufe mithilfe eines Interviewleitfadens befragt.  

Durch die Bearbeitung theoretischer Grundlagen und aktueller Studien konnte festgestellt werden, dass Lehrpersonen eine bedeutende Rolle dabei einnehmen, Geschlechterstereotype zu reproduzieren, aber auch aufzubrechen. Außerdem stellte sich heraus, dass der Unterrichtsgegenstand Musik besonders stark von Geschlechterzuschreibungen geprägt ist: Es wird von Kindern, nach Bildnerischer Erziehung, als das „Mädchenfach“ bezeichnet. Zudem zeigen die Ergebnisse der Befragung, dass Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Lehrpersonen zu erkennen sind. So waren Aussagen der männlichen Studierenden weniger reflexiv. Die weiblichen Studentinnen gaben konkrete Vorschläge an und brachten Ideen ein, um gendersensibel zu unterrichten. Weiters gaben die männlichen Befragten eher an, Lehrinhalte auszuwählen, ohne einen gendersensiblen Aspekt zu berücksichtigen.  

Aufgrund der Erkenntnisse und Forschungsergebnisse der Arbeit ist es notwendig, pädagogische Maßnahmen und praxisnahe Konzepte zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise eine tiefere Auseinandersetzung mit der eigenen Bildungsbiografie und Geschlechterbildern in der Lehramtsausbildung oder ein aktiver Austausch über Gender und Geschlecht im Unterricht. Eigene, verinnerlichte Stereotype müssen hinterfragt und aufgebrochen werden. Musikunterricht muss durch vielfältige Angebote geprägt sein, die beide Geschlechter ansprechen – zum Beispiel durch männliche und weibliche Vorbilder. Weiterführende Forschungen sind außerdem erforderlich, um repräsentative Aussagen tätigen zu können und weitere Entwicklungen hinsichtlich einer gendergerechten Schule zu initiieren.

 

Ausgewählte Literatur:

Bartsch, A., & Wedl, J. (2015). Teaching Gender? Zum reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung. Transcript.

Elsen, H. (2020). Gender - Sprache - Stereotype. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG.

Heß, F. (2018). Gendersensibler Musikunterricht. Empirische Studien und didaktische Konsequenzen. Springer VS.

Rendtorff, B., Kleinau, E., & Riegraf, B. (2016). Bildung - Geschlecht - Gesellschaft. Julius Beltz GmbH & Co. KG.

Siedenburg, I. (2009). Geschlechtstypisches Musiklernen. Eine empirische Untersuchung zur musikalischen Sozialisation von Studierenden des Lehramts Musik. Electronic Publishing Osnabrück.

Katharina Zehrer: Intersektionaler Blick auf Mädchen mit Migrationshintergrund in Volksschulen

Intersektionaler Blick auf Mädchen mit Migrationshintergrund in Volksschulen.
Bachelorarbeit im Rahmen des Studiums der Primarpädagogik an der PHT;

Betreuung: Alexandra Madl

Die Bachelorarbeit setzt sich zum Ziel, vertiefenden Erkenntnissen zur intersektionalen Perspektive auf Mädchen mit Migrationshintergrund in der Volksschule zu gewinnen. Ausgehend von den Begriffsklärungen und der theoretischen und empirischen Analyse soll folgende Forschungsfrage beantwortet werden: „Welche Herausforderungen haben Mädchen mit Migrationshintergrund in der Volksschule zu bewältigen?“

Der steigende Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Österreich ist im politischen, medialen aber auch im Alltagsdiskurs präsent und für viele Menschen in unterschiedlichen Kontexten spürbar. Vor allem Volksschullehrer:innen „jammern“ über heterogene Klassen. Unterschiedliche Erstsprachen, geokulturelle Hintergründe und Religionen, Schwarze Kinder oder Kids of Colour – große Diversität unter den Schüler:innen und aus gesellschaftlichen Verhältnissen resultierenden Chancenungleichheiten sind im gesamtschulischen Kontext auf der Primarstufe die Regel. Umso wichtiger ist es, Ungleichheitsverhältnisse und Intersektionen aufzuzeigen und die Schulkultur hinsichtlich der Kategorien wie class, gender und race zu analysieren. Die Relevanz eines intersektionalen Blicks auf Bildung soll in dieser Bachelorarbeit aufgezeigt und erläutert werden. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden neben einer Literaturrecherche und -analyse auch Expert:inneninterviews durchgeführt. Mit Hilfe der Analyse von vorliegenden Befunden sowie der Interviewstudie konnte gezeigt werden, dass eine intersektionale Haltung der Lehrperson eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Pflichtschulzeit und die weitere Bildungsbiografie von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund spielt.

 

Ausgewählte Literatur:

Akbaba, Y. & Wagner, C. (2022.). Pädagogische Professionalität und Migrationsdiskurse. Die Schule der Migrationsgesellschaft im Blick: Diskriminierungskritische Lehr-Forschung von Lehramtsstudierenden (1. Aufl., S. 3–22). Springer Fachmedien Wies-baden; Imprint Springer VS.

Böttcher, A., Hill, M., Rotter, A., Schacht, F., Wolf, M. A. & Yildiz, E. (2019.). Migration bewegt und bildet: Kontrapunktische Betrachtungen. innsbruck university press.

Bronner, K. & Paulus, S. (2021). Intersektionalität: Geschichte, Theorie und Praxis: Eine Einführung in das Studium der Sozialen Arbeit und der Erziehungswissenschaft (2. Aufl.). utb Soziale Arbeit, Erziehungswissenschaft: Bd. 4873. Verlag Barbara Bud-rich.

Erkurt, M. (2020). Generation haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben. Paul Zsolnay Verlag.

Weber, M. (2003). Heterogenität im Schulalltag. VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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