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Boys Day - 21 Schüler schlüpften in die Lehrerrolle

Boys Day - 21 Schüler schlüpften in die Lehrerrolle

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PH Tirol/Roner
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Stereotype durchbrechen – Berufsorientierung an der Praxisvolksschule der PH Tirol

Im Rahmen des Boys’ Day besuchten rund 20 Burschen im Alter von 12 bis 15 Jahren am 8. November 2023 verschiedene Klassen der Praxisvolksschule, um sich ein Bild vom Beruf des Volksschullehrers zu machen. Gesellschaftliche (Geschlechter-)Stereotype haben in den vergangenen hundert Jahren in Österreich u.a. zu einem Rückgang der Anzahl männlicher Volksschullehrer von rund 50 Prozent auf ca. 7 Prozent geführt. Dabei sind männliche Volksschullehrer ein großer Gewinn für das Schulsystem. Aufklärungsangebote wie jenes zur Berufsorientierung im Rahmen des Boys’ Day stellen daher relevante Formate für das Schulwesen dar. Der Boys Day findet jedes Jahr am 9. November statt – rund um diesen Tag finden verschiedenste Veranstaltungen statt.

Erleben und Kennenlernen des Berufs „Volksschullehrer“
Der Boys’ Day an der Praxisvolksschule am 8.11.2023 von 8 bis 10.30 Uhr führte die interessierten Burschen zunächst direkt in den Unterricht. Alle Klassen der Praxisvolksschule standen für Hospitationen offen. Dabei gewannen sie Einblick in vielfältige Unterrichtsmethoden und Klassenformen: von Ganztagesklassen, (altersgemischten) Mehrstufenklassen, Inklusionsklassen, MINT-Unterricht oder verschiedene Sozialformen wie Freiarbeit, Gruppenarbeiten oder Partnerarbeiten. Im Zuge der Beobachtungen konnten die Teilnehmer des Boys’ Days auch erleben, wie Lehramtsstudierende direkt an den Schulen ausgebildet werden.

Im Anschluss fand eine Nachbesprechung über den Beruf des Volksschullehrers mit Direktorin Caroline Abfalter und Direktorin-Stellvertreter Walter Vigl statt. Dabei wurden u.a. auch geschlechterstereotype Zuschreibungen diskutiert und das Thema Geschlecht und Schule reflektiert.

Männer im Volksschullehramt signifikant unterrepräsentiert, aber ein enormer Gewinn für das Schulsystem
Insbesondere in der Primarpädagogik sind Männer signifikant unterrepräsentiert, bei den Erstsemestrigen liegt der Anteil männlicher Studierender derzeit bei ca. 15 Prozent. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass in Österreich vor hundert Jahren noch 53 Prozent der Volksschullehrer männlich waren. Bis 2017/18 sank dieser Anteil österreichweit auf rund 7 Prozent (vgl. Ludwig, 2019, S. 2). Für das Schulsystem jedoch sind männliche Lehrpersonen ein großer Gewinn. Sie sind u.a. als Identifikationsfiguren wichtig für die Entwicklung von Volksschüler:innen beider Geschlechter gleichermaßen. Männliche Lehrpersonen bieten Kindern die Möglichkeit, verschiedene Facetten von Männlichkeit zu erleben. Die Chance liegt also vor allem im Aufbrechen traditioneller Geschlechterbilder zugunsten individueller Entwicklung abseits von Stereotypen und gesellschaftlichen Normen.

Direktorin der Praxisvolksschule Caroline Abfalter: „Männliche Lehrpersonen sind nicht nur für Grundschulkinder wichtige Vorbilder, Erziehungs- und Lernbegleiter. Auch für das Kollegium sind sie Bereicherung und Vervollständigung. Der Beruf des Volksschullehrers ist vielfältig, relevant und wertvoll – ich denke am Boys’ Day wurde das für unsere Besucher auch deutlich. Aktionen wie diese helfen, alte Denkmuster zu reflektieren und heute ungültige tradierte Sichtweisen zu überwinden. Ein Weg zu neuen, lösungsorientierten und sinnvollen, gesellschaftlich bedeutsamen Rollenbildern.“

Gesellschaftliche Stereotype aufbrechen
Mit dem Boys’ Day sollen auch veraltete gesellschaftliche Stereotype aufgebrochen werden, denn Gründe für den genannten Rückgang liegen u.a. in Vorstellungen, die den Beruf des Volksschullehrers nicht mehr als männlichen Beruf identifizieren. Dabei wird auch auf das Gehalt verwiesen.
Mit den neuen Dienstverträgen unterscheid sich das Gehalt von Volksschullehrern allerdings nicht mehr von jenem der Sekundarstufenlehrer und gilt als durchaus attraktiv. Gerade in Tirol können Lehramtsstudierende der Primarpädagogik außerdem ihre Stärken wie Sport, Kreatives Schaffen oder Musik in Ausbildungsschwerpunkten professionalisieren. Die Arbeit als Volksschullehrer ist vielseitig, fordernd, verlangt viel Selbstverantwortung und stiftet Sinn.

Vizerektor Gregor Örley: „Gesellschaftliche Zuschreibungen irren, wenn sie Frauen den Lehrberuf mehr zuschreiben als Männern. Beziehungsfähigkeit bringen junge Männer als Basiskompetenz genauso ein, das ist meine Erfahrung. Männer sind noch signifikant unterrepräsentiert im Lehrendenberuf, stellen aber einen enormen Gewinn für das Schulsystem, für die Sozialisation von Burschen und Mädchen dar, für die eben auch männliche Vorbilder wichtig sind. Das Erlebnis im Rahmen des Boys Days, sich gerade als Bursche einmal in die Rolle einer Lehrperson zu versetzen und damit zu erleben, ein Gegenüber für Kinder zu sein, hilft, stereotype Vorstellungen zu hinterfragen."

Boys’ Day als Format zur Aufklärung - Soziale und pädagogische Berufe für Männer
Julien Bartl und Albert Witting, die den Boys’ Day in Tirol organisieren, erleben in ihrer Arbeit mit Burschen*gruppen, dass männliche Jugendliche oft wenige Anknüpfungspunkte zu sozialen, pflegerischen und erzieherischen Berufen haben, sofern keine Familienmitglieder oder Verwandten einen solchen Beruf ausüben. Wichtig sind deshalb erste Berührungspunkte und das direkte Kennenlernen der beruflichen Praxis in (noch) männer*untypischen Berufen.

Julien Bartl, Boys’ Day Tirol: „Das besonders Wertvolle am Boys‘ Day an der PH Tirol: Die Burschen durften nicht nur den Unterricht mitverfolgen, sondern konnten auch hospitierende Volkschullehrer:innen in Ausbildung erleben. Das gemeinsame Reflektieren des Unterrichts, mit Praxis-Lehrerinnen, Hospitant:innen zeigte damit nicht nur die berufliche Praxis, sondern auch das Erlernen des Berufs.“

Volksschullehrer Walter Vigl
Volksschullehrer Walter Vigl unterrichtet seit ca. zehn Jahren an der Praxisvolksschule. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer, arbeitet er an der Schule auch als Administrator, als Direktorin-Stellvertreter und ist zuständig für das MINT-Gütesiegel. Seine abwechslungsreiche Lehrerkarriere hat ihn an verschiedene Schulen in Vorarlberg, Tirol und Afrika geführt. Er baute die ersten Montessori-Klasse im öffentlichen Schulsystem in Tirol auf und unterrichtete während eines Sabatticals in Südostasien und im südlichen Afrika seine Kinder selbst.
Neben Walter Vigl arbeiten an der Praxisvolksschule noch drei weitere männliche Volksschullehrer.

 

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